die härteste jury:
Tiroler küche im test

Erwachsene haben bestimmte Vorstellungen davon, was Kinder essen sollten. Kinder auch. Diese Menüs haben meist wenig miteinander zu tun. Wir haben ausprobiert, wie Kinder die Tiroler Küche finden. Tipp: Gemeinsam Kochen hilft. Und macht Spaß!

Eltern machen sich viele Sorgen um die Ernährung ihrer Kinder: Essen sie zu wenig Gemüse? Zu viel Fleisch? Oder: zu wenig? Ist es schädlich, wenn sie sich zu 95 Prozent von ihren Lieblingsgerichten Pommes rot-weiß und Spaghetti Napoli ernähren? Oder nervt es nur die Eltern? Fördert man die unter Erwachsenen verbreiteten Nahrungsmittelneurosen, wenn schon die Jüngsten mit laktosefreien Ersatzprodukten gefüttert werden? Oder schützt man sie so vor schädlichen Einflüssen? In einem sind sich Fachleute jedoch einig: Abwechslung ist gut. Und solange man selbst kocht, ist eigentlich alles – zumindest in Maßen – gesund, was schmeckt.

Aber wie kriegt man Kinder, die am Esstisch bekanntlich die größten Spießer sind, dazu, etwas Neues auszuprobieren? Vielleicht mit dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche?

Wir haben neun Kindern im Alter von 2 bis 15 Jahren einen Skiurlaub in Tirol versprochen. Die Bedingung: Es gibt nur Tiroler Gerichte, manche davon mit Leber. Und sie müssen alles zumindest probieren.

AMUSE-GEULE: LOCKERER EINSTIEG

Ein paar österreichische Klassiker konkurrieren ohnehin mit Pommes und Spaghetti um die vorderen Plätze auf den Lieblingsgerichtelisten vieler Kinder. Und so gibt es gleich zum Start und auch während der weiteren Skitage auf den teils ausgezeichneten Hütten im Gebiet zwischen Kaltenbach und Hochfügen sehr viel Schnitzel, Kaiserschmarren und Germknödel.

Freddy, Nicki, August, Holly, Ida, Vinzent, Lenz, Julius und Oskar zum Verzehr dieser Hüttenklassiker zu bewegen ist so schwierig, wie eine frische Antilope an ein Rudel junger Löwen zu verfüttern. Für das eigentliche Experiment haben wir uns auf der Brandleit eingemietet, einem Bergbauernhof mit zwei Stuben, traditionellem Holzherd – und geräumiger Küche auf Profiniveau, in der Platz für ein halbes Dutzend junger Beiköche ist.

Selbst ist der Mann: Vinzent überwacht das Bratgut, das auf der Eisenplatte des alten Holzofens auch jungen Köchen besonders gut gelingt. 

Selbst ist der Mann: Vinzent überwacht das Bratgut, das auf der Eisenplatte des alten Holzofens auch jungen Köchen besonders gut gelingt. 

DER PLAN

Wir kochen uns mehrere Abende in Folge durch echte Tiroler Klassiker – und sind gespannt, ob sich die Stadtkinder auf Überraschungen einlassen. Dabei setzen wir schon in der Vorbereitung auf ein paar archaische Momente: Als wir rund vier Kilo Rindsknochen für die Fleischsuppe anrösten, die in den kommenden Tagen als Basis für verschiedene Gerichte dient, staunen die Kinder nicht schlecht.

Und dann gibt es noch ein paar Zutaten, mit denen wir den Versuchsaufbau jederzeit verschärfen können: Meerrettich oder Kren, wie er hier vor Ort genannt wird. Graukas, den man hervorragend in der Erlebnissennerei in Fügen erwerben kann. Und auch noch frische Leber vom Metzger im Tal.

ZWISCHENGANG: JAUSENBRETT SURPRISE

Den ersten Superklassiker gibt es gleich am ersten Nachmittag: eine Tiroler Marend. Die Jause bietet Bekanntes und Unbekanntes auf einem Brett. Neben Bergkäse und Schinken, die von allen Altersstufen ohne Hemmungen verzehrt werden, gibt es eben jenen Kren. Das scharfe Meerrettichöl, das bereits bei zu tiefem Einatmen zu einem intensiven Schmerz im Hinterkopf führen kann, schreckt allerdings fast alle Minderjährigen ab. Einzig Nicki lässt sich darauf ein, ein paar Späne zu probieren. Zu viel! Er schlägt vor Schmerz mit der Faust auf den Holztisch. Findet es aber auch irgendwie lustig.

Auch August und Oskar, die Ältesten, lassen sich darauf ein, vorsichtige Portionen über ihre Schinkenbrote zu streuen. Nicht so schlecht! Den Graukas haben wir sauer angemacht, mit ein paar rohen Zwiebeln. Erfahrungsgemäß hilft das zumindest bei Erwachsenen, den befremdlichen Geruch so weit zu überdecken, dass sie einen Testbissen wagen. Bei Kindern haben Essig und Zwiebeln den gegenteiligen Effekt. Und ohne Dressing verschrecken sie Aussehen und Geruch des Graukas. Hier werden wir einen Trick anwenden und die Zutat verstecken, zum Beispiel in Knödeln.

ZWISCHENGANG II: DREIERLEI VOM KNÖDEL

Die gibt es am zweiten Abend, und zwar gleich in drei Variationen, wir wollen schließlich ein gewisses Pensum abarbeiten: Speck-, Press- und Leberknödel also. So haben wir den archetypischen Tiroler Knödel und zwei Varianten, in denen wir herausfordernde Zutaten unterbringen können.

Der achtjährige Freddy, fleißigster Beikoch und eigentlich Vegetarier, lässt sich zumindest vom Speck und der Leber nicht verschrecken: Wir mischen drei Massen und formen unzählige Knödel, die mit verschiedenen Beilagen aufgetragen werden: Die Pressknödel, in unserem Fall zu Versuchszwecken ausschließlich mit Graukas, mit Salat; die Leberknödel in der Suppe; und die Speckknödel mit Sauerkraut.

Tatsächlich bekommt der Pressknödel trotz des nicht verkennbaren Graukasaromas in der Wertungsrunde zwei erste Plätze. Klarer Gewinner: Der Specknödel. Der Leberknödel bekommt auch eine Wertung, und zwar von Nicki, der aber auch am Vortag Kren gegessen hat.

Großer Konsens, und das nicht nur an diesem ersten Tiroler Abend: Am besten schmecken die Nachspeisen, in diesem Fall Moosbeernocken, bei denen allenfalls der Name für Nichttiroler verwirrend ist. Es handelt sich nämlich um nichts Kleines, Dickes, Rundes, wie man es vielleicht erwarten würde, sondern um Pfannkuchen mit Heidelbeeren, was der Begeisterung in der Runde, die eigentlich schon von den Knödeln platzen müsste, keinen Abbruch tut.

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HAUPTGANG: RESTE AUS DER EISENPFANNE

Am zweiten großen Abend sind die Kinder nicht nur an der Schüssel aktiv, sondern auch an der Eisenpfanne. Es gibt Speck und Zwiebeln zu schneiden und die Kartoffeln und Reste vom Suppenfleisch vom ersten Abend. Es ist ja nicht das Schlechteste, wenn Kinder mitkriegen, dass man auch aus Resten ein sehr gutes Abendessen hinbekommt. Das Tiroler Gröstl wird anstandslos verzehrt. Vielleicht aber auch, weil wieder eine Nachspeise angekündigt wurde.

Die Hauptperformance des Kinderkollektivs besteht an diesem Abend in der Herstellung eines Kartoffelteigs mit Hilfe einer riesenhaften Handpresse – und dem Formen unzähliger Nocken – die Paunzen heißen. Die werden in der Pfanne frittiert und mit Apfelmus gegessen.

Und das ist jetzt nicht nur für ALLE Kinder – ganz weit vorne übrigens, wenn ein neuer Teller aus der Küche kommt: die zweijährige Holly –, sondern auch für die Erwachsenen ein echtes Aha-Dessert. Konstruktiver Verbesserungsvorschlag der Kinder: Puderzucker.

Der Erfolg der Süßspeisen ist so groß, dass wir am letzten Abend nur noch Mohnnudeln zubereiten, quasi außer Konkurrenz und auf den Aufwand der Zillertaler Krapfen (die nicht süß, sondern sehr herzhaft sind) verzichten. Die gibt es nämlich am Freitag vor der Kirche in Fügen, zubereitet und ausgebacken von einer Fügener Frauengruppe. Für viele der mitreisenden Erwachsenen einer der Höhepunkte der Woche. Und die Kinder sind mittlerweile so routiniert im Probiermodus, dass sie neugierig zulangen.