Vom Schnitzel über das Knödeltris zum Gebeizten Saibling

Der Innradweg führt mitten durch Tirol, von der Schweizer Grenze bis zu der nach Deutschland. Manchmal wird es auf dem Fahrrad sogar anstrengend. Aber die Rettung ist immer nahe – in den ausgezeichneten Gasthöfen auf der Strecke.
Als das Schnitzel kommt, kann sich Anna einen Juchzer nicht verkneifen. Goldbraun gebacken liegt es nun vor ihr, für wenige Augenblicke unberührt, doch dann senken sich Messer und Gabel in die Panade. Und sie beginnt, das elegant drapierte Gericht zu verschlingen. Sie hat großen Hunger. Wie ich auch.
Hinter uns liegt ein etwas anstrengender Nachmittag. Wir sind von Landeck nach Pfunds geradelt, zum Startpunkt unserer Tour. Die nächsten Tage werden meine Frau und ich den Inn entlangfahren. Von der Grenze zur Schweiz bis zur Grenze zu Deutschland bei Kufstein.
Durch Tirol immer den Fluss an unserer Seite und – das ist die Kirsche auf der Torte – von Gasthof zu Gasthof. Wir stärken uns auf unserem Weg also beharrlich mit Tiroler Spezialitäten. So wie ich nun auch mit einem wunderbar rosa gebratenen Hirschrücken, zu dem Spätzle gereicht werden. Es geht uns also keinesfalls um Fitness und Leistungsnachweise, um Durchschnittsgeschwindigkeiten und Kilometerfressen. Nein, wir möchten das Rad als Werkzeug des langsamen Reisens nutzen, mit dem man die Landschaft intensiver und bewusster wahrnimmt als mit Auto oder Zug.
Anna und ich befinden uns im Hotel Traube, das wir ein paar Stunden zuvor relativ abgekämpft erreicht haben. Die Auffahrt von Landeck hatten wir unterschätzt. Auf Google Maps sah das nach „bissl Anstieg, machbar in etwa zwei Stunden“ aus. Wir waren naiv, haben nicht mal unsere Radlhosen angezogen. Es waren dann vier Stunden, fast durchgehend bergauf. Zur Begrüßung rief uns der Traube-Junior Fabi Fuchs mitleidig zu: „Seid’s ihr ohne E hinauf?“ Genau, nicht mit dem E-Bike. Er entnahm es wohl in unseren rubinroten Gesichtern. Dazu brannten synchron die Hintern. Also Tipp: Besser den Bus von Landeck nach Pfunds nehmen, die Räder transportiert der auch nach oben. Ist angenehmer.
Wir erholten uns aber schnell. Im eleganten Außenpool plantschen, dann Abendessen in der gemütlichen Stube (als Dessert unbedingt das Vanilleeis im Haselnussteig probieren!), und schon sind wir wieder heiß, uns auf die Sättel unserer Tourenräder zu schwingen.
DEFTIG ESSEN, OHNE ZUZUNEHMEN
Am nächsten Morgen flitzen wir bergab. Der Inn gurgelt wild neben uns, die Gipfel der Ötztaler Alpen begleiten uns als sich ständig änderndes, hinreißendes Panorama, Bäume, Wiesen, Felder fliegen vorbei. So macht Radeln Spaß. Nicht mal E-Biker können uns nun noch überholen. Eigentlich hatten wir vor, im Gasthof Gemse in Zams Mittag zu essen. Eine unbedingte Empfehlung, wenn man Tiroler Küche in herausragender Qualität genießen möchte. Nur: Die Gams in Zams hat Ruhetag. Aber Fabi Fuchs hat uns einen passenden Ersatz empfohlen: Das Landegger im Zentrum von Landeck. Das ist ja das Großartige in Tirol: dass man fast überall ein Wirtshaus findet, das noch traditionell und auf hohem Niveau kocht. Wenn sie etwa das grüne Siegel der Tiroler Wirtshauskultur an der Tür haben, kann man nicht viel falsch machen. Entlang unserer Tour am Inn gibt es besonders viele davon.
Und schon sitzen Anna und ich im Wirtsgarten, vor uns Schlutzkrapfen und Kasspatzln. Die Gerichte sind so, wie sie sein sollen. Buttrig, sämig, nicht zu fettig, aber auch nicht zu wenig. Das Fabelhafte an so einer Genussradltour ist ja auch, dass wir so schwer und deftig essen können, wie wir möchten. Es setzt nix an, denn wir strampeln die Kalorien ohnehin wieder raus. Sie bleiben auf der Strecke.
Nach dem Mahl fahnden wir nach dem Inn, um wieder auf den Innradweg zu gelangen. Das dauert nicht lang, die Tour ist gut ausgeschildert, nur manchmal müssen wir ein bisschen nach der Richtung suchen, wenn wir eine Abzweigung verpasst haben, weil ein Schild nicht sofort zu sehen war.
EIN TIROLER ENGEL
Der Weg schlängelt sich durch grüne Weiden und kleine Wäldchen. Hinter Zams taucht vor uns das Tagesziel auf. Über dem Tal thront der Wehrturm der Kronburg. Sie wurde im 14. Jahrhundert erbaut und ist heute eine Ruine. Zu ihren Füßen liegt ein Gasthof, in dem wir heute übernachten wollen.
„Da müss ma nauf!“, sage ich zu Anna. „Oha, das wird was!“, sagt sie. Und sie hat recht. Die Steigung zur Kronburg ist so brutal, dass wir unsere schwer bepackten Räder schieben müssen. Es ist sehr heiß, eine ganz schöne Plagerei. Der Schweiß fließt wie der Inn an unseren müden Körpern hinab. Ein Spezi wäre jetzt angenehm. Doch es erscheint etwas noch Besseres: Ein Auto und darin ein Engel, direkt von Gott geschickt. Eine Ordensschwester hält neben uns und fragt, ob sie unser Gepäck mit hochnehmen solle. Sehr gern! Danke! Bitte! Und weg ist sie.
Zwanzig Minuten später sind wir am Gasthof Klostergut, der in Nachbarschaft zur kleinen, barocken Wallfahrtskirche Maria Hilf und dem Kloster der Barmherzigen Schwestern von Zams liegt. Die Gebäude bilden eine Einheit, die so anmutig ist, dass wir von ihrer schlichten Schönheit ganz gerührt sind. Die restliche Welt erscheint hier oben weit weg. Unsere Retterin von vorhin gibt uns das Gepäck zurück und stellt sich als Schwester Barbara vor, sie leitet den Gasthof.
Wir beziehen unser einfaches und sehr behagliches Zimmer, ruhen uns ein bisschen aus, aber der Magen knurrt schon wieder. Zum Glück ist das Wirtshaus nur die Treppe runter. Vor dem Essen trotten wir aber noch an den Rand des Gebirgssattels, auf dem das Anwesen sich befindet, um die Sonne beim Untergehen zu beobachten. Der Blick auf das Inntal ist erhaben, das Licht taucht die Landschaft in Blautöne, es ist still. Solche Momente sollten sich ewig ziehen, aber dann ist es schon wieder vorbei. Nicht schlimm, denn jetzt naht der Höhepunkt des Tages. Das Abendmahl. Anna entscheidet sich für einen Zwiebelrostbraten und ich für Eierschwammerl mit Semmelknödel. Beides schmeckt so vorzüglich, dass man es auch dreimal hintereinander verspeisen könnte, wären nur unsere Mägen weiträumiger dimensioniert. Aber ein Topfenstrudel passt schon noch rein.
Und jetzt: Schnell ins Bett. Wir müssen früh raus, denn morgen folgt die Königsetappe nach Vomp. Hundert Kilometer.
Die Königsetappe: 100 Kilometer von Zams nach Vomp

Im Dunkeln rasen wir hinab, zurück zum Inn. Langsam erwacht das Tal zum Leben, die ersten Sonnenstrahlen fingern über die Gipfel und wärmen uns. Wir gleiten durch dunkle und lichte Wälder, strampeln knackige kurze Anstiege rauf, queren den Inn mittels Brücken. Das Wasser ist hellblau und schäumt entfesselt. Alaska-Feelings. Vor und hinter Imst erscheint uns die Landschaft ursprünglich und abgelegen, auch weil wir keinen anderen Menschen auf dem Innradweg begegnen. Zwischen Ötztal Bahnhof und Innsbruck wird das Inntal breiter, wir passieren viele Felder und Dörfer. Der Weg nach Vomp zieht sich. Wir würden deshalb empfehlen, nicht die ganze Strecke an einem Tag zu fahren, sondern einen Zwischenstopp mit Übernachtung einzulegen, etwa in Telfs oder Innsbruck.
So schleichen wir ziemlich kaputt durch Innsbruck und sind bei Ankunft in Vomp ausgewrungen wie alte Lappen. „Puh!“, sagt Anna. „Ja, puh!“, antworte ich. Doch Blutwurstgröstl, Knödeltris und Soda Zitron im wunderschönen Schloss Mitterhart, unserer nächsten Station, erwecken uns wieder zum Leben. Ja und dann geht es weit nach oben zu unserem Tagesziel, dem Biohotel Grafenast, auf 1330 Metern.
Diese Geschichte stammt aus dem meinTirol Magazin. Das liefern wir übrigens auch kostenlos direkt nach Hause.
VOR DEM ENDE HÖHENLUFT SCHNUPPERN
Selbstverständlich quälen wir uns dort nicht hinauf. Nein, von Schwaz trägt uns der Bus Nummer 8 nach Pillberg zum Hotel. Dieses hockt so malerisch über dem Inntal, dass uns der Atem stockt. Durch ein Panoramafenster in unserem Zimmer blicken wir hinunter und können noch einmal einen Teil der Strecke begutachten, die hinter uns liegt. Beeindruckt von unserer eigenen Leistungsfähigkeit während der Hitzeschlacht zwischen Kronburg und Vomp prosten wir uns mit Leitungswasser zu, das später beim Abendmenü hervorragender Naturwein sein wird. Davor gönnen wir uns aber noch einen Saunagang, den man im Grafenast keinesfalls auslassen sollte, da eine der Saunen sich in einem Baumhaus befindet, was so spektakulär wie heimelig ist. Im Grafenast wird teilweise ein wenig trickreicher gekocht als bei unseren Stationen zuvor. Zur Vorspeise gibt es Tomaten-Carpaccio mit Sauerampfereis. Die Hauptgerichte, etwa das Schweinnackensteak mit Serviettenknödel, wenden sich aber wieder in Richtung Tradition. Im Grafenast sind die Gerichte wie bei allen Stationen davor auf hohem Niveau, was uns natürlich freut. Unten im Tal leuchtet Innsbruck in der Ferne und wir werden müde.
" Radweg, Landschaft, Essen, Fluss, Berge, blauer Himmel. Kombiniert ergibt das vier Tage im Paradies."
Nach einem ausgiebigen Frühstück, das im Grafenast unglaublich vielseitig ist, sausen wir den Berg hinab. Ein Rausch von dreißig Minuten. Unten radeln wir den nun breiten und langsamer fließenden Inn entlang, auch wir sind nun wie der Fluss weniger schwungvoll. Das Land ist flach. Kurz kühlen wir uns im eiskalten Flusswasser ab und eine Stunde später blitzt das erste Mal die Festung Kufstein in der Ferne auf. Wir treten nochmal kräftig in die Pedale, denn – man ahnt es – der Hunger zwickt abermals. Im Auracher Löchl am Fuße der Festung warten schon die nächsten Schmankerl auf uns. Wir entscheiden uns für Kaspressknödelsuppe, gebeizten Saibling und Kalbsleber. Und wie soll es anders sein: Wir werden nicht enttäuscht. Radweg, Landschaft, Essen, Fluss, Berge, blauer Himmel. Kombiniert ergibt das vier Tage im Paradies. Viel zu schnell zogen sie vorbei. Aber es gibt noch viel zu entdecken mit dem Radl. Vielleicht erkunden wir ja mal eines der Täler, die wir jetzt nur passiert haben? Wir kommen auf jeden Fall wieder.